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Mein Leben mit Greta Garbo
Aus dem Tagebuch der langjährigen Sekretärin der »Göttlichen«

 

Nach Jahren des Schweigens, nach Jahren einer geradezu verzweifelten Flucht vor der Öffentlichkeit. hat die große schwedische Schauspielerin endlich den Bann gebrochen: Greta Garbo hat ihrer langjährigen Sekretärin und Freundin, ihrer Landsmännin Salks Viertel, die Erlaubnis gegeben, ihre Memoiren zu veröffentlichen. Es ist der „Frau im Spiegel“ gelungen, als erste deutsche Zeitschrift ihren Lesern diesen authentischen Tatsachenbericht vorzulegen. Salks Viertel erzählt darin – sowohl aus eigenem Erleben als auch nach den detaillierten Erzählungen Gretas und ihrer Freunde und Verwandten – von dem Schicksal einer Schauspielerin, deren Leben im Armenviertel Stockholms begann. Als Statistin in Werbefilmen des Kaufhauses Bergstroem, wo Greta Gustavsson als Verkäuferin tätig war, hat sie ersten Erfolg. Die Siebzehnjährige meldet sich daraufhin zur Schauspielschule. Ihr Jugendfreund Niels Eriksen will ihr davon abraten: Schauspielerin! Das ist doch kein Beruf. Und dabei bist du alt genug, um in ein paar Jahren zu heiraten.“ Und Niels denkt dabei auch an sich.

                                                                                                                        

     „Ich werde nicht heiraten, ich will nicht mein Leben lang Strümpfe stopfen und Kinder wiegen.“
     „Du sagst immer ‚ich bin nicht' und ‚ich gehöre nicht'“, sagt Niels schon ärgerlich, „aber ich sage dir, daß das Leben so ungerechtfertigte Ansprüche nicht anerkennt.“
     „Das ist eine Buchhalterweisheit“, sagt Greta störrisch, „ich habe ein starkes, tapferes Herz. Das genügt.“ Sie schweigt. Ihre langen Finger fahren der Maserung der Marmorplatte nach. Im Hintergrund schlägt eine Uhr. Es ist elf.
     „Ja“, sagt Niels langsam und steht auf. „Dann ist wohl nicht mehr viel zu sagen.“ Er wartet ein paar Sekunden lang, aber auch Greta ist aufgestanden und sieht ihn an. Ihre Augen sind dunkel. Es ist ein Abschied. Anders kann man es nicht nennen – – –

 

Der Mann, den die Garbo küßte
      Wo immer die Garbo ein einfacher Mensch unter andren Menschen sein wollte, fanden sich Reporter, flammten Blitzlichter auf und versammelten sich Scharen von Neugierigen. Wenn wir außerhalb unseres Hauses das haben wollten, was selbst dem ärmsten Menschen ohne weiteres vorbehalten bleibt, nämlich einer Flucht als einer Vergnügungsreise glichen. Bei ihrer ständig zunehmenden Abneigung vor der Öffentlichkeit hat Greta aber niemals die Menschen vergessen, mit denen sie irgendwann einmal in echter Freundschaft verbunden war.


In Beverly Hills, im Garten und auf der Terrasse ihrer Villa hat
Greta Garbo ihrer Freundin Salks Viertel die Abenteuer ihres
Lebens erzählt, die den Inhalt unseres Tatsachengerichtes bilden.

     Zu diesen Leuten gehört Kapitän Carl Hjalmar Reinhold Hjorth, der jetzt in Hamburg lebt. Er ist der Mann, den Greta Garbo, die Unnahbare, 1930 in Stockholm auf offener Straße geküßt hat. Jahrelang hat die Presse nach ihm gesucht, und die großen Zeitungen Amerikas boten Zehntausende von Dollars für einen Schnappschuß, der diesen Augenblick festgehalten hätte. Tatsächlich war aber gerade damals kein Fotograf in der Nähe. Man vermutete zunächst, daß es Gretas Bruder gewesen sei, dann sprach man von einem heimlichen Verlöbnis, – alles das war falsch. Kapitän Hjorth war der Mann, der Greta in der Schauspielschule stehen und gehen lehrte. Er war der Vorsitzende der Prüfungskommission, die Ende August 1922 über die Zulassung Greta Gustavssons zur Stockholmer Schauspielschule entschied. Ich habe Herrn Hjorth gebeten, mir über diese Zeit, an der er Gretas schauspielerische und gymnastische Ausbildung an der Stockholmer Schauspielschule überwachte, zu berichten, und er hat mir folgendes geschrieben:

Liebe Frau Viertel!

      Ich erinnere mich noch gut an den Tag der Aufnahmeprüfung von Greta Gustavsson. Sie sprach uns die Rolle der „Grünen“ aus dem Per Gynt von Ibsen vor. Sie machte damals von allen Prüflingen auf uns den besten Eindruck. Übrigens war diese Prüfung nicht ihre einzige, denn jedes Jahr einmal mußten die Schüler von neuem ihr Können zeigen, und jedesmal hing ihr Verleiben auf der Schauspielschule davon ab. Ich habe sie über zwei Jahre lang dann fast täglich unterrichtet. Jeden Tag zwischen 8 und 9 Uhr morgens übte ich mit den Schauspielschülern im Foyer des oberen Ranges im Theater Fechten, Bewegungslehre und Gymnastik. An unserer Schule wurde damals sehr viel Shakespeare studiert, und bei den vielen Fechtszenen kam es schon sehr darauf an, zu wissen, wie man den Degen richtig gebraucht. Greta hat sich in allen diesen Dingen immer sehr geschickt gezeigt. Da ich selbst kein Schauspieler war und nur Gymnastikstunden und Bewegungslehre gab. lebte ich im Gegensatz zu den andren Lehrern vielleicht etwas außerhalb der sehr traditionsgebundenen Atmosphäre der „Königlichen Dramatischen Akademie“. So ist es vielleicht auch dazu gekommen, daß die keine Greta in vertraulichen Aussprachen oft mit ihren verschiedenen Sorgen zu mir gekommen ist. Sie hatte damals viele Hemmungen. Ich glaube, daß das vor allen Dingen an den finanziellen Verhältnissen lag, aus denen heraus sie zu uns kam. Wenn Sie heute von mir sagen, ich sei der Mann, der die Greta Garbo gehen und stehen lehrte, so freut mich das natürlich sehr; aber ich selber habe nicht geahnt, daß ‚die kleine Greta' einmal so berühmt werden würde, und als ich erfuhr, daß sie es war, da dachte ich, daß sie den alten Hjorth längst vergessen habe. Die stürmische, freudige Begrüßung bei dem zufälligen Wiedersehen auf der Straße in Stockholm hat mich tief gerührt und ist eine der schönsten Erinnerrungen meines Lebens.
     Ich stelle Ihnen diese Zeilen gerne zur Veröffentlichung in Ihrem Bericht über das Leben unserer großen Freundin zur Verfügung.
     Mit sehr herzlichen Grüßen
                       Ihr
                               Carl Hjorth.

 

Gretas Bekanntschaft mit Stiller
      Die Jahre 1922/23 bringen in Deutschland die Stummfilmproduktion auf Hochtouren. Regisseure aus aller Welt gehen entweder nach Deutschland oder nach Frankreich, denn hier arbeiten, heißt, das große Sprungbrett für das Endziel aller Regisseure und Schauspieler benutzen zu können, das Sprungbrett nach Hollywood. Auch der Regisseur I. E. Petschler hat beschlossen, Schweden zu verlassen. Er hockt in seinem Büro auf einer Kiste und läßt seine kurzen Beine herunterbaumeln. Er hat einen dicken Schal um den Hals geschlungen, alle Türen stehen auf, und es zieht.

  
Zu dem Sprung nach den Vereinigten Staaten verhalf ihr der schwedische
Regisseur Stiller (links), der Gretas Leben entscheidend beeinflußte. Er war es,
der hinter dem Gesicht der kleinen Stockholmer Verkäuferin das Profil eines
Antlitzes erahnte, das eine ganze Welt Jahrzehntelang in seinen Band schlagen
sollte (rechts).

     „Es hilft nichts, ich muß raus, Greta“, sagt er zu dem Mädchen, das inmitten all der Reisevorbereitungen vor ihm steht und ihn flehend anschaut. „Ich muß mir fremden Wind um die Nase wehen lassen. Hier ist im Augenblick nicht viel zu machen. Aufträge gibt es gerade genug, aber eben in Deutschland, in Frankreich und vielleicht in Amerika. Ich muß dort das Terrain sondieren und kann damit nicht länger warten. Hier ist alles so bürgerlich. Und du – wie geht es dir?“
     „Deshalb bin ich hier“, sagt Greta, ein wenig kläglich, „ich weiß nicht, Herr Petscher, aber ich glaube, es geht nicht mehr.“
     „Was?“ fragt der Regisseur. „Du hast die Prüfung auf der Schauspielschule doch gut bestanden, und jetzt, nachdem du schon sieben Monate hinter dir hast, behauptest du plötzlich, es ginge nicht mehr. Was sind das für Hirngespinste?“
     „Ach, es ist alles so entsetzlich monoton. Ich habe Großes und Neues erwartet. Und was kam? Von 8 bis 9 Uhr Bewegungslehre, von 9 bis 10 Uhr Literaturgeschichte, von 10 bis 11 Uhr Sprechtechnik – –“


Ein Arm voller Blumen war der erste Gruß, mit dem Amerika
eine junge Schauspielerin begrüßte, deren Stern band darauf
strahlend am internationalen Filmhimmel aufging

     „Unsinn, das ist Handwerk, jeder muß vor dem Erfolg an der Werkbank schwitzen. In einem Jahr wirst du soweit sein, daß –“
     „– ich in einem Tingeltangel auftrete oder ein zweitrangiges Mannequin bin. Nein, Herr Petschler, das Geld ist alle, von Alvas Verdienst und meinem Stipendium können wir nicht leben. Bei uns zu Haus steht Wassersuppe auf dem Tisch.“
     Der Regisseur sieht sie lange an und sagt dann: „Das ist natürlich ein ernstes Argument. Aber wie könnte ich dir helfen? Mein Geld reicht gerade für die Reise. Na, vielleicht fällt dem alten Petschler noch irgendein Regietrick ein. Sag mal, kennst du Stiller? Nein? Aber du hast doch von ihm gehört? Mauritz Stiller, der Eisberg und Schauspielerschreck. Sehr talentierter Knabe. Ich werde dich zu ihm schicken. Er soll dich ansehen. Mehr will ich nicht. Nur ansehen, verstehst du?“
     Die offizielle Version, daß Stiller bei einer Schuleraufführung Greta Garbo in der Rolle der Ellila in Ibsens Schauspiel „Die Frau am Meer“ gesehen habe und von ihrer schlummernden Schönheit und der Entfaltungsfähigkeit ihrer Kunst so beeindruckt gewesen sei, daß er sie aufgesucht habe, um sie zu engagieren, ist eine der vielen Erfindungen, die in irgendeiner Redaktion in der Welt geboren wurden. Ich habe mir sowohl von Herrn Petschler als auch wiederholt von Mauritz Stiller den Anfang der Bekanntschaft mit Greta erzählen lassen und weiß, daß Stiller Greta zum erstenmal bei den Proben zu dem Film „Gösta Berling“ hat spielen sehen. Stiller hatte zunächst an Greta Garbo ein rein privates Interesse – doch ich will dem Gang der Handlung nicht vorgreifen.

 

Die große Enttäuschung

     Greta hat viele Versuche gemacht, den großen Regisseur in seiner Wohnung zu treffen. Immer wieder wurde sie von der Haushälterin kurz abgewiesen. Leider – es sei unmöglich, Herr Stiller sei momentan zu beschäftigt, Herr Stiller sei verreist, Herr Stiller schlafe. Morgen? Bitte sehr, sie könne es ja morgen wieder versuchen, aber es sei zweifelhaft, sehr zweifelhaft. Endlich ist es ihr gelungen, wenigstens in seinem Vorzimmer Posten zu beziehen. Auf einem Tischchen liegen zerlesene Filmzeitschriften. Die Sekretärin hat die Karte von Petschler zu ihm hineingetragen, und einige Minuten sind seitdem vergangen. Heute noch erzählt Greta, wie sehr sie in diesem Augenblick an ihre Zukunft geglaubt habe:
     „Es war ein Mittwoch, ein Glückstag, an der Straß0enecke hatte ich vorher einen Schonsteinfeger angefaßt und in der Nach von einem großen Feuer geträumt. Plötzlich ging die Tür auf, und Stiller stand vor mir. Er wirkte groß und breitschultrig, nicht mehr jung, war aber auch nicht direkt alt zu nennen.
     ‚Das sind Sie also', sagte er langsam und spöttisch, seine Stimme war schwerfällig, beinahe spröde. Ich stand auf und nickte. Dies schien mir doch eine reichlich seltsame Begrüßung zu sein.
     ‚Sehr erfreut', sagte Stiller mit unverkennbarer Ironie. ‚Sie sind wohl der Ansicht, daß ich Agent für filmhungrige Statisten bin. Dazu müßte ich genau das haben, was mir fehlt, nämlich Zeit. Ich muß arbeiten, wissen Sie, Nur wer arbeitet, wird etwas. Haben Sie sonst noch eine Frage?
     Ich konnte nur noch stammeln und war den Tränen nahe. Mehrmals versuchte ich, einen Satz anzufangen, kam aber über das Wort ‚Ich – ich' nicht hinaus.
     ‚Ich ist keine Frage, sondern eine Überheblichkeit', sagte Stiller. ‚Es wird wohl besser sein, daß wir diese zweitraubende Unterhaltung jetzt beenden. Guten Tag, meine Dame. Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, daß ich ausdrücklich nicht auf Wiedersehen gesagt habe.' Damit ging er in sein Zimmer zurück. Er wirkte nicht einmal ärgerlich, nur eiskalt und ungerührt.“
     Stiller hat mir dann, als wir viele Jahre später von Hollywood einmal einen Ausflug nach Long Beach machten, erzählt, wie es ihm damals mit Greta Garbo weiter ergangen ist, und wie es dann schließlich doch noch dazu kam, daß er sie kennenlernte. Eine halbe Stunde nach dem Gesuch Gretas nämlich klingelte auf seinem Schreibtisch das Telefon. Es meldete sich Petschler, der aus einem kleinen Café gerade noch zwischen Kai und Schiffskajüte telefonierte. Greta hatte ihn hier, mitten in seiner Abreise, noch vollkommen verzweifelt erreicht. Das Gespräch zwischen Petschler und Stiller ist sehr kurz gewesen.
     „Hast du sie angesehen?“
     „Ich habe mit der Dame gesprochen.“
     „Ich frage, ob du sie angesehen hast?“ schrie die Stimme am anderen Ende. „Verdammt nochmal, Mauritz, in zehn Minuten geht mein Schiff. Ich möchte vorher eine Antwort haben.“
     „Es war nichts zu besprechen.“
     „Ich frage zum letztenmal, ob du sie angesehen hast“, rief der kleine lebendige Regisseur in den Apparat.
     „Nein“, sagte Stiller.
     „Dann sieh sie dir an, und zwar sofort, verstanden? Ich verlange das als Abschiedsgeschenk.“
     „Gute Reise, du wirst mir fehlen, altes Haus. Sag ihr, daß ich in einer Viertelstunde drei Minuten Zeit habe.“
     „Das genügt, adieu!“ sagte Petschler abschließend.
     Zehn Minuten nach diesem Telefongespräch steht die Sekretärin von Mauritz Stiller wieder in seinem Arbeitszimmer und sagte ihm, daß das lästige Fräulein schon wieder da sei.
     „Soll ich, oder wollen Sie persönlich?“
     „Persönlich“, antwortete Stiller, ohne aufzublicken. „Lassen Sie sie hereinkommen.“
     „Wie bitte?“ fragte die Sekretärin erstaunt. Dann kommt sie zögernd diesem ihr völlig unverständlichen Wunsche nach. Stiller schreibt, während sich die Tür öffnet und langsam, zögernde Schritte näherkommen.
     „Setzen Sie sich“, sagte er. Als er merkte, daß die Besucherin ihm gegenüber Platz genommen hat, hebt er den Blick und sieht Greta an. Es ist ein seltsamer, gleichsam sezierender Blick. Ganz kühl und beherrscht, ein greller Scheinwerfer, der sein Licht langsam über ihr schönes Antlitz schickt.
     „Stehen Sie auf“, sagte er dann. Greta gehorcht wie unter dem Bann einer Hypnose. Jetzt leuchtet der Scheinwerfer ihre Gestalt ab.

Fotos: Privat/Archiv

  
Part II
 

 

from:   Die Frau im Spiegel      Nr. 52    13.12.1952
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