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„Schönheit des Jahrhunderts“ wurde Greta
Garbo schwärmerisch genannt. Seit jedoch auf
ihrem ebenmäßigen Gesicht die ersten Alters-
spuren auftauchten, verbirgt sie sich vor den
Fotografen hinter Sonnenbrillen, großen Hüten
und der schützenden Hand ihres Freundes
George Schlee (rechts), eines ehemaligen
zaristischen Offiziers.

 

FRAUEN
Die Geschichten machen
Der große Tatsachenbericht von Peter List

GÖTTLICHE GARBO

Copyright: NEUE Illustiere
und Dukas Press

Auf dem Fauborg St.-Honoré in Paris flanierte kürzlich eine ältere Amerikanerin in grau-braunem Reisekostüm. Sie blieb vor fast allen Schaufenstern stehen und betrat schließlich einen Laden für Luxusartikel.
     „Was kosten die Seidenschals in der Auslage?“ fragte sie eine Verkäuferin.
     „10 000 bis 12 0000 Franken“, war die Antwort.
     „30 Dollar für einen Schal?“ schrie die Dame. „Aber das ist ja reiner Wucher!“
     Mit diesen Worten rauschte sie empört aus dem Geschäft, als wäre sie beleidigt worden.
     Der Geschäftsführer, der die Szene von weitem beobachtet hatte, kam herbeigerannt und sagte vorwurfsvoll zu der Verkäuferin: „Sie hätten die Kundin nicht gehen lassen sollen. Das war doch Greta Garbo.“
     Die Verkäuferin fiel aus allen Wolken.
     „Wie konnte ich das ahnen?“ rief sie aus. „Sie trug doch weder Filzhut noch Sonnenbrille!“
     Jahrelang hat sich die Garbo bemüht, unerkannt zu bleiben, indem sie eine Brille mit dunklen Gläsern trug und die Krempe ihres schwedischen Schlapphutes tief über die Stirn zog. Unterdessen ist es aber so weit gekommen, dass die meisten Leute sie nur noch in dieser Verkleidung erkennen.
     Wenn sie die Aufmerksamkeit von sich ablenken will, braucht sie lediglich ihr wahres Gesicht zu zeigen. Es trägt die Falten und Furchen einer vornehmen alten Dame, in der so gut wie niemand mehr das Idol von gestern vermutet.
     Man hat die Garbo die Schönheit des Jahrhunderts genannt. Man hat behauptet, dass sie ihren Platz in der Geschichte neben Frauen wie der schönen Helena, Cleopatra, Salome und der Pompadour einnehmen wird.
     Vielleicht wird das für ihr Ebenbild auf der Leinwand zutreffen. Das Schwedische Institut für Filmgeschichte hat alle Vorkehrungen getroffen, um die Filme der Garbo über die Jahrhunderte hinweg zu bewahren.
     Ob die Diva jedoch als Mensch von Fleisch und Blut diesen hohen Rang in der Zukunft behalten wird, ist eine andere Frage. Denn selten gab es eine tiefere Kluft zwischen Traumbild und Wirklichkeit als im Fall der Greta Garbo.
     Sie ist weder ätherisch noch weltfremd, sondern von Natur aus praktisch veranlagt. Sie hat immer mit beiden Füßen (Schuhgroße 39) auf dem Boden der Tatsachen gestanden.
     Das zeigt sich besonders in ihrer Beziehung zum Geld. Ein Auftritt wie in dem Pariser Luxusladen ist im Leben der Garbo ein alltägliches Ereignis.
     In New York bummelt sie oft stundenlang durch die Antiquitätengeschäfte der 3. Avenue. Die Inhaber der Läden kennen und schätzen sie, weil sie sich nie übers Ohr hauen lässt.
     Ab und zu erwirbt sie eine Keramik- oder eine Bronzestatue. Aber sie kauft niemals etwas, ohne einen nach ihrer Meinung angemessenen Preis ausgehandelt zu haben.
     Auch in ihrem Haushalt sieht sie auf jeden Pfennig. Sie überprüft alle Rechnungen und kann unerhört knauserig sein.
     Es ist vorgekommen, dass sie eine Szene machte, wie ihre Haushälterin 2,50 DM für Bohnerwachs ausgegeben hatte. Die Garbo war davon überzeugt, dass die Büchse höchstens zwei Mark kosten durfte.
     Dabei kann man nicht sagen, dass sich Greta einschränken muß. Ihr Vermögen wird heute auf 28 Millionen Mark geschätzt.
     Sie hat in Amerika 24 Filme gedreht. Die meisten davon wurden zu einer Zeit hergestellt, als es noch keine Einkommenssteuer gab.
     Schon damals lebte sie äußerst sparsam. Sie fuhr einen alten Wagen und gab nur wenig Geld für Garderobe aus.
     Den größten Teil ihres Kapitals legte sie in Aktien und Grundstücken an.
     Sie besitzt heute zahlreiche Miethäuser in Manhattan, Los Angeles und Buenos Aires, die ihr jährlich etwa zwei Millionen Mark einbringen. Obwohl sie davon als Junggesellin fast 80 Prozent Steuern zahlen muß, bleibt ihr immer noch genug für ein sorgenfreies Leben.
     Vor einigen Jahren verkaufte sie ihr Haus in Beverly Hills und ihren Landsitz in dem kalifornischen Ort Frutana. Sie zog in eine 2-Zimmer-Wohnung im Ritz-Hotel an der Park Avenue und später in eine 4-Zimmer-Wohnung in Hampshire House, ebenfalls in New York.
     Wenn sie im Sommer eine Ferienreise antrat, packte sie zuvor ihre Sachen in einen Schrank, um für Untermieter Platz zu machen. Sie sah es als Verschwendung an, die Wohnung zwei Monate lang leerstehen zu lassen.
     Unterdessen hat Greta ein 7-Zimmer-Appartement an der 52. Straße bezogen, von dem aus sie den East River überblicken kann. Sie wohnt im selben Haus wie ihre besten Freunde, Valentina und George Schlee.
     Die Wohnung der Garbo ist streng, fast spartanisch eingerichtet. Der einzige Lichtblick sind einige Stilmöbel aus dem 18. Jahrhundert, die sie in den letzten Jahren auf Auktionen erworben hat.
     Außer ihrer Residenz in Manhattan besitzt sie noch ein Landgut bei Gnesta in Schweden sowie die Villa „Le Roc“ auf dem Cap d'Ail bei Monte Carlo. Ihr Privatleben spielt sich heute so gut wie ausschließlich auf diesen drei Schauplätzen ab.
     Den Winter pflegt sie in Amerika zu verbringen. Mitte Juni fährt sie in ihre alte schwedische Heimat, um die langen Sommernächte zu genießen. Und von August bis Oktober findet ,am sie gewöhnlich in ihrem Haus an der Côte d'Azur.
     Wenn Greta will, kann sie sehr gesellig sein. Zuweilen nimmt sie zwei bis drei Einladungen in der Woche an.
     Noch heute rückt sie automatisch in den Mittelpunkt jeder Gesellschaft. Die Gäste sind von der Magie ihres Namens überwältigt und behandeln sie wie eine abgedankte Königin.
     Das geschieht ohne ihr eigenes Zutun. Wenn man nicht wüsste, wer sie ist, würde man sie kaum beachten, denn in großem Kreise spricht sie nur selten.
     Die Garbo leidet nach wie vor darunter, dass sie keine höhere Schule besucht hat. Später las sie buchstäblich Hunderte von Büchern, um ihre Bildungslücken auszufüllen.
     Trotzdem fühlt sie sich den meisten ihre Bekannten an Wissen unterlegen. Deshalb bleibt sie lieber stumm und hört zu, was andere zu sagen haben.
     Wenn sie schließlich doch einmal das Wort ergreift, pflegt sie bescheiden zu warnen: „Meine Ansicht zählt natürlich nicht, aber …“ Oder sie fängt mit den Worten an: „Wahrscheinlich klingt das sehr dumm, doch …“
     Dabei ist die Garbo durchaus nicht dumm. Im Gegenteil, sie besitzt eine Menge gesunden Menschenverstand, viel Einfühlungsvermögen und Sinn für Humor.
     Eines Tages zeigte ihr der Maler Salvador Dali die Fotografie eines Menschenschädels. Wenn man näher hinsah, erkannte man, dass in das Bild acht Aktmodelle einkopiert waren.
     Offensichtlich wollte Dali die Schauspielerin schockieren.
     Greta musterte das Werk von allen Seiten und sagte dann, ohne mit der Wimper zu zucken: „Sehr hübsch, Mr. Dali. Doch vielleicht könnten sie mehr Einzelheiten herausbringen, wenn sie 16 nackte Mädchen benutzen würden.“
     Unter dem Einfluß ihres Freundes Allen Porter, eines großen amerikanischen Kunstsammlers, erwachte ihr Interesse für Gemälde. In ihrer Wohnung hängen jetzt mehrere kostbare Bilder der Pariser Schule.
     Aber nur wenige Leute bekommen diese Bilder zu sehen, denn die Garbo empfängt niemals Gäste. Schon in Hollywood sagte man lachend: „Der einzige, der je bei der Garbo war, ist ein Einbrecher.“
     Sie entkam damals dem Eindringling, indem sie aus dem Fenster im zweiten Stock kletterte und an der Regenrinne entlang in den Garten hinabrutschte.
     Auch in ihrer Villa in Monte Carlo lebt sie wie eine Einsiedlerin. Die Rollläden sind meist heruntergelassen, und sie lässt oft das Telefon läuten, ohne den Hörer abzunehmen.
     Als der Reederkönig Onassis sie auf seine Jacht „Christina“ bitten wollte, versuchte er tagelang vergeblich, sie zu erreichen. Schließlich schickte er ihr einen Boten mit dem Auftrag, nicht eher wegzugehen, bis sie seine Zeilen persönlich entgegengenommen habe.
     Häufig stößt ihre Haltung sogar alte Bekannte vor den Kopf. Obwohl sie von ihnen Freundschaftsbeweise fordert, nimmt sie niemals von den Wünschen anderer Notiz.

 

Die Großen der Welt sind ihre Freunde. Der
griechische Reederkönig Aristoteles Onassis
holte Greta Garbo persönlich am Bahnhof von
Monaco ab (rechts), um sie auf seine Jacht
„Christina“ zu geleiten. Er war bereit, Millionen
in einen neuen Garbo-Film zu investieren. Und
auch Winston Churchill, ebenfalls Gast auf der
„Christina“, drängte die Diva, wieder vor die
Kamera zu treten. Aber Greta Garbo ahnt, dass
sie nie mehr so triumphale Erfolge erringen wird
wie früher.

 

     Der englische Hoffotograf Cecil Beaton, der zu ihren Vertrauten zählt, beklagte sich vor einigen Jahren: „Greta wird immer egozentrischer. Sie hat keinen Sinn für Freundschaft und scheint völlig unfähig zu sein, irgend etwas für jemand anders zu tun.“
     Kürzlich sollte einer ihrer besten Freunde, eine prominente Persönlichkeit, in einem Fernsehprogramm auftreten. Da der Mann keinerlei Erfahrung vor der Kamera besaß, bat er sie, ihm ein paar Ratschläge zu geben.
     Anstatt ihm zu helfen, sagte die Garbo wegwerfend: „Ach, das ist alles schon so lange her. Ich habe vergessen, wie man so etwas macht.“
     Kein Wunder, dass sich immer mehr Leute ihr Verhalten nicht erklären können. Und wenn es sich überhaupt erklären lässt, so nur aus ihren schweren Anfängen…

*

     An einem Frühlingsmorgen 1922 stand Greta Gustafsson vor dem Schaufenster eines Schuhgeschäfts in der Vasastraße in Stockholm. Sie sah in der spiegelnden Glasscheibe, wie sie von einem Herrn mit Spazierstock gemustert wurde.
     Der Fremde wandte sich ihr zu, aber die 17jährige Greta haßte es, auf der Straße angesprochen zu werden. Sie kehrte ihm hochmütig den Rücken und verschwand im Strom der Fußgänger.
     Dabei hatte der Unbekannte einen guten Grund gehabt, sie aufs Korn zu nehmen. Er war nämlich der Filmdirektor Erik Petschler, der sich gerade für seine neue Komödie „Der Vagabundenbaron“ nach jungen Sternchen umsah.
     Vielleicht hätte die Welt niemals etwas von Greta gehört, wenn nicht der Zufall mitgespielt hätte.
     Einige Tage später betrat Petschler das Warenhaus Bergström, um für zwei Mädchen, die er inzwischen engagiert hatte, die Filmgarderobe zu kaufen. Die Verkäuferin, die ihn dabei bediente, war Fräulein Gustafsson. Natürlich erkannte sie ihn, und als sie den Zweck seiner Einkäufe erfuhr, nahm sie all ihren Mut zusammen und fragte: „Würden Sie mich vielleicht auch verwenden können, Herr Petschler?“
     Am liebsten hätte er sie auf der Stelle mitgenommen. Aber da sie ihm vor kurzem einen Korb gegeben hatte, zog er nur gelassen seine Karte heraus, gab sie ihr und sagte: „Sprechen Sie morgen bei mir vor. Ich werde sehen, was ich tun kann.“
     Greta war das dritte und letzte Kind des Straßenkehrers Sven Gustafsson und seiner Frau Anna Lovisa geborene Karlsson. Ihre Eltern waren vom Lande nach Stockholm gekommen und in das Arbeiterviertel Söder gezogen.
     Dort kam Greta am 18. September 1905 zur Welt. Sie verbrachte ihre Jugend in einer ärmlichen Drei-Zimmer-Wohnung im vierten Stock des Mietshauses Blekingestraße 32.
     Sie war eine gute Schülerin, aber da ihr Vater oft krank war, musste sie bereits mit 14 Jahren Geld verdienen. Der Friseur Einar Wiedewäck stellte sie für sieben Kronen in der Woche an.
     Später verschaffte ihr eine Freundin die Stellung als Verkäuferin in der Mode-Abteilung von Bergström.
     Als Petschler sie dort entdeckte, hatte Greta bereits in einigen Reklamefilmen mitgewirkt. In diesen Streifen hatte sie temperamentvoll die neuesten Damenhüte des Warenhauses aufprobiert.
     Auch hatte sie sich von früher Jugend an fürs Theater begeistert. Schon als 11jährige stand sie stundenlang vor dem Bühneneingang des Mossbake-Theaters, um einen Blick ihres Idols, Carl Brisson, zu erhaschen.
     Sie prophezeite damals jedem, der es hören wollte, dass sie ein großer Star werden würde. Ihre Freundinnen lachten sie aus, aber Greta meinte es völlig ernst. Sie war überhaupt sehr ernst für ihr Alter. Und sie hat nie eine unbeschwerte Jugend gehabt.
     Wenn es ein Rätsel um Greta Garbo gibt, so liegt es hier, in ihren frühesten Anfängen.
     Nichts in ihrer Familiengeschichte deutete darauf hin, dass sie schauspielerisches Talent besaß. Alle ihre Vorfahren waren Bauern gewesen.
     Wie Beethoven oder Leonardo da Vinci kam sie aus dem Volke empor, ein echtes Genie, das alle Theorien angeblicher Fachleute über den Haufen warf.
     In Petschlers Film trat sie als Badeschönheit auf. Das Ergebnis waren zwei Zeitungskritiken, die sie als die „Hoffnung des schwedischen Films“ erwähnten.
     Daraufhin gab Greta ihre Stellung aus und bewarb sich um ein Stipendium beim Königlichen Dramatischen Theater in Stockholm. Sie bestand alle Aufnahmeexamen und wählte den Bühnennamen Garbo.
     Einige Monate später rief der Filmproduzent Mauritz Stiller seinen Freund Molander, den Direktor der Schauspielschule, an und fragte: „Gustav, hast du ein paar junge Mädchen, die für eine Rolle in dem Film »Gösta Berling« in Betracht kommen?“
     Molander dachte nach und sagte: „Ich habe zwei, die sich vielleicht eignen. Ich werde sie dir hinüberschicken.“  Die beiden Mädchen waren Greta Garbo und Mona Martenson. Auch Mona machte später eine Filmkarriere.
     Greta ging zu Stiller. Er fand sie zu dick und empfahl ihr, zehn Kilo abzunehmen. Dann notierte er ihre Telefonnummer und sagte, er werde sie anrufen, falls er etwas für sie habe.
     Greta hatte die Abmachung vergessen, als eines Morgens Stiller anrief.
     „Kommen Sie bitte sofort ins Rasmuda-Studio hinaus!“ schrie er. „Es ist dringend!“
     Eine Stunde später war sie für die Rolle der Elisabeth Dohna engagiert.
     Stiller, damals 40 Jahre alt, war hochgewachsen, elegant, herrisch, nervös und anspruchsvoll. Und er besaß einen ausgeprägten Sinn für weibliche Schönheit.
     Bald versuchte er wie ein moderner Pygmalion, die junge Greta nach seinen Wünschen zu formen. Er brachte ihr bei, richtig aufzutreten und ihre Schüchternheit vor der Kamera zu überwinden.
     Sie wusste nichts, und er wusste alles. Sie sah zu ihm auf wie zu einem Gott. Und als „Gösta Berling“ in Berlin gezeigt wurde, nahm er sie mit zur Premiere.
     In Berlin stelle Asta Nielsen die junge Schwedin dem Regisseur G. W. Pabst vor. Der engagierte sie auf der Stelle für „Die freudlose Gasse“ und erklärte: „Solch ein Gesicht kommt jedes Jahrhundert nur einmal vor.“
     Gerade um diese Zeit kam auch Louis B. Mayer, der Herr der Metro-Goldwyn, auf der Jagd nach neuen Talenten in die deutsche Hauptstadt. Er hatte zuvor schon Ernst Lubitsch, Emil Jannings und Conrad Veidt nach Hollywood geholt.
     Mayer ließ Stiller kommen und bot ihm einen fabelhaften Vertrag an.
     Der Schwede verzog keine Miene und fragte: „Und wie steht's mit der Garbo?“
     „Mit wem?“ Fragte Mayer.
     „Greta Garbo ist eine begabte Künstlerin“, sagte Stiller.
     Mayer ließ sie sich vorstellen und fand: „Wir haben Dutzende von Mädchen in unseren Studios, die mindestens ebenso schön sind.“
     Dann zog er einen Kontrakt für Stiller aus der Tasche. 1000 Dollar sollte der Schwede in der Woche erhalten.
     Aber Stiller sagte abwehrend: „Ohne die Garbo komme ich nicht.“
     „Also gut, wenn Sie durchaus wollen, engagieren wir auch noch dieses Mädchen für 350 Dollar wöchentlich.“
     Mayer nahm später das Verdienst in Anspruch, Greta Garbo entdeckt zu haben. Aber ohne Stiller wäre sie damals nicht nach Hollywood gekommen.
     Die beiden Schweden mussten monatelang in New York und später in Hollywood warten, ehe man sich um sie kümmerte. Man zahlte ihnen ihre Schecks und bat sie, sich zu gedulden.
     Greta fand Hollywood schrecklich. Sie konnte kein Wort Englisch und sah niemand außer Stiller und einer Negerin, die ihr Sprachstunden gab.
     Im September 1925 vertraute man ihr schließlich ihre erste Rolle an: ein spanisches Bauernmädchen in dem Film „Der Strom“. Ihr Partner war Ricardo Cortez, einer der Kinohelden der Epoche.
     Er behandelte die Garbo wie Luft, und wenn sie versuchte, englisch mit ihm zu sprechen, gab er ihr kaum eine Antwort. Sie dachte, er könne vielleicht besser Spanisch und sagte eines Abends nach der Arbeit zu ihm: „Buenas noces, Señor Ricardo.“
     Cortez sah sie verständnislos an. Später erfuhr Greta, dass er in Wirklichkeit hieß und aus Brooklyn stammte…

*

     Im Februar 1926 wurde „Der Strom“ in New York uraufgeführt. Am Morgen nach der Premiere war die Garbo berühmt. Alle Kritiker waren von ihr begeistert, und das Publikum begann, vor dem Kino Schlange zu stehen.
     Daraufhin beschlossen die Metro-Bosse, ihr John Gilbert zum Partner zu geben. Gilbert spielte damals in Hollywood die gleiche Rolle, die später Clark Gable einnahm.
     Er war ein schlanker Zigeunertyp mit funkelnden Augen und blitzenden Zähnen. Als ihm die Garbo vorgestellt wurde, geschah etwas, das ihm noch nie passiert war: Er verliebte sich auf den ersten Blick.
     Ohne sie zu fragen, richtete er ein Haus für sie ein. Und er war sehr erstaunt, als sie nicht gleich einzog. Aber er gab nicht nach, und bald darauf brachte er es fertig, sie aufs Standesamt von Santa Anna zu schleifen.
     Der Friedensrichter war bereit, das Paar zu trauen. Da fand Greta plötzlich eine Ausrede und suchte den Waschraum auf. Dort sprang sie aus dem Fenster auf die Straße und fuhr ohne Gilbert nach Hollywood zurück.
     Mauritz Stiller machte ihr bittere Szenen. Er selbst war in Amerika vom Erfolg nicht verwöhnt worden. Er drehte in Hollywood nur den Film „Hotel Stadt Lemberg“ und ging dann tief enttäuscht wieder nach Stockholm, wo er im Alter von 46 Jahren an Lungenentzündung und Seelenkummer starb.
     Heute weiß man, dass Greta in Wirklichkeit nur Stiller geliebt hat … den Mann, dem sie alles verdankte. Als sie nach Schweden auf Urlaub kam, führte sie ihr erster Gang zu Stillers Grab.
     Inzwischen war ihr Ruhm ins Grenzenlose gestiegen. Nach „Anna Karenina“, ihrem vierten Film in Amerika war sie der Star der Stars.
     Heute bewundert man die Monroe und die Bardot, doch niemand sieht zu ihnen auf. Zur Garbo sah man auf. Sie wurde wie eine Heilige verehrt.
     Plötzlich ließen sich Millionen von Mädchen die Haare lang wachsen und übten vor dem Spiegel romantische Augenaufschläge. Und weil die Garbo gern chinesische Pyjamas trug, erlebten die Hersteller dieser Gewänder eine Hochkonjunktur.
     „Sie wurde überall von Reportern verfolgt“, erinnert sich der Filmproduzent Clarence Brown. „Da sie von Natur aus zur Geheimniskrämerei neigt, machte sie wahre Höllenqualen durch.“
     Louis B. Mayer gelang es, sie bei der Stange zu halten, indem er ihr immer höhere Gagen zahlte. Bald verdienste sie 25 000 Mark wöchentlich.
     Viele der Filme, die Greta Garbo nun drehte, gelten bis heute als Meilensteine. Noch immer spricht die Fachwelt von Werken wie „Der Kuß“, „Anna Christie“, „Menschen im Hotel“ und „Königin Christine“.
     Im Sommer 1937 lernte sie auf einer Party für die junge Sängerin Deanna Durbin den Dirigenten Leopold Stokowski kennen. Er hatte sich als Deannas Partner für den Film „Ein Mädchen und 100 Männer“ verpflichten lassen. Wenigstens schien es so.
     „Der wirkliche Grund warum ich nach Hollywood gekommen bin, sind Sie“, enthüllte er der Garbo. „Ich habe unsere beiden Horoskope studiert und festgestellt, dass wir füreinander bestimmt sind.“  Die verblüffte Garbo wusste nicht, was sie antworten sollte. Der Maestro mit der weißen Mähne war 23 Jahre älter als sie. Doch er war unerhört charmant und hatte große Erfahrung mit Frauen.
     Er flog mit der Garbo nach Neapel und schloß sich dort mit ihr in die Villa Cimbrone ein. Ihre Zweisamkeit dauerte fünf Wochen.
     Dann brachte Stokowski seine Freundin nach Schweden, wo sich ihre Wege trennten.
     Die Garbo erklärte der Presse: „Manche Leute wollen heiraten, andere nicht. Ich habe mich nie nach einer Ehe gesehnt.“
     Als sie nach Hollywood zurückkam, drehte sie den Lubitsch-Film „Ninotschka“. Es war ihre erste Lustspielrolle. Greta errang einen Bombenerfolg.
     Ihr nächster Film jedoch, „Die Frau mit den zwei Gesichtern“, war ein Versager. Greta war untröstlich über diesen ersten Misserfolg in 15 Jahren.

 

Traumbild von Millionen Seit über dreißig
Jahren hat kein Star so lebhaft die Phantasie
der Menschen beschäftigt wie die „göttlich“
Garbo. Unvergessen ist ihre Darstellung der
Frauengestalten aus großen europäischen
Romanen, darunter „Anna Karenina“ (links).
Aber dann, nach Ausbruch des zweiten Welt-
krieges, beschloß sie, vorläufig nicht mehr zu
filmen. Und es gab niemals mehr ein Come-
back für sie.

 

     Inzwischen war in Europa der Krieg ausgebrochen. Und dort war von jeher für ihre Filme der beste Markt gewesen.
     Deshalb beschloß sie, bis Kriegsende nicht mehr zu filmen. Sie glaubte, ein Kapitel zu beenden. Satt dessen schloß sie ein Buch …
     Nach dem Krieg war die Garbo bereit, in das Studio zurückzukehren. Man schlug ihr vor, die Hauptrolle in einer Story des Starreporters John Gunther zu spielen.
     Nach dem Drehbuch sollte Greta als schöne Spionin einen Kriegskorrespondenten verführen. Aber sie fand, dass sie nicht für die Rolle passte.
     Bald darauf trat man an sie heran, die große Dichterin George Sand zu verkörpern. Sir Laurence Olivier war als ihr Partner vorgesehen. Diesmal war Greta aufrichtig enttäuscht, als das Projekt aus finanziellen Gründen scheiterte.
     Ein Jahr später wollte der Produzent Walter Wanger mit ihr Balzacs „Herzogin Langlais“ verfilmen. Er zahlte ihr einen Vorschuß von 200 000 Mark.
     Die Garbo kam tatsächlich nach Rom, um mit den Aufnahmen zu beginnen. Aber auch hier kam im letzten Augenblick das Geld nicht zusammen. Der Plan fiel ohne Gretas Schuld ins Tiberwasser.
     Hätte damals ein Produzent richtig zugepackt, so wären bestimmt noch einige Garbo-Meisterwerke entstanden.
     Greta stand damals völlig unter dem Einfluß des Diät-Apostels Gayelord Hauser aus Tübingen.
     Dieser Modearzt versicherte ihr, dass sie mit Hilfe von Karotten und Zuckerrüben ihre Schönheit bewahren könnte.
     Da er selbst mit 50 Jahren noch ein sehr schöner Mann war, glaubte ihm die Diva. Sie verbrachte mit ihm die Ferien in Palm Beach und auf den Bahamas. Und nach ihrer Rückkehr verkündete Hauser der Presse, dass seine Heirat mit Greta „unmittelbar“ bevorstehe.
     Aus der Heirat wurde dann allerdings nichts, denn eines Tages beging der Gemüsedoktor die Torheit, zu sagen: „Wenn du jung aussehen willst, mein Kind, musst du dich besser anziehen. Ich kenne da eine Schneiderin auf der Madison Avenue …“
     Die Schneiderin war die Weißrussin Valentina, die damals in der New Yorker Modewelt den Ton angab. Ihr Mann George Schlee war früher Offizier in der Armee des Zaren.
     Schlee verliebte sich in die Garbo. Und ihr war der stattliche Mann auch nicht gleichgültig, denn er erinnerte sie in vieler Hinsicht an Mauritz Stiller.
     Er hatte den gleichen Akzent, die gleiche Eleganz, die gleichen großen Hände und die gleiche umfassende Bildung wie der Abgott ihrer Jugend.
     Wie eingeweihte berichten, ging Schlee zu seiner Frau und erklärte offenherzig: „Ich liebe Greta, aber sie wird mich bestimmt nicht heiraten. Deshalb ist es besser, dass du und ich zusammenbleiben, denn schließlich sind wir aneinander gewöhnt.“
     Anfangs sträubte sich Valentina gegen diese Zumutung und drohte, in ein Kloster zu gehen. Aber mit der Zeit fand sie sich in die neue Lage, denn auch sie hatte die Garbo in ihr Herz geschlossen.
     Von dieser Zeit an begleitete Schlee die Diva auf allen ihren Reisen nach Europa. Mann kann ihn auf zahllosen Fotos sehen, wie er vor ihr herschreitet und schützend die Hand hebt, um aufdringliche Fotografen und Bewunderer abzuwimmeln.
     Die Garbo wird noch immer von den großen Gesellschaften mit Filmangeboten überschüttet. Und als sie vor zwei Jahren an Bord der „Christina“ frühstückte, drängte sogar der greise Churchill sie, wieder zu filmen.
     Onassis war bereit, die nötigen Millionen vorzuschießen. Produzent Sam Spiegel, der ebenfalls auf der „Christina“ zu Gast war, erwog, sie als Ibsens Hedda Gabler oder als eine von Tschechows „Drei Schwestern“ herauszubringen.
     Greta verwarf jedoch diese Pläne. Denn sie ist weder eine Duse, die noch mit 60 auf die Bretter trat, noch eine Sarah Bernhardt, die mit 70 jugendliche Heldinnen spielte.
     Sie hat mit ihrer Anmut auch ihren Mut verloren. Sie glaubt, dass die Massen nur durch ihre Schönheit verzaubert wurden und nicht durch ihre schauspielerische Kunst.
     Niemand kann sagen, ob sie recht hat. Es käme auf einen Versuch an. Aber sie wagt nicht mehr, diesen Versuch zu unternehmen.
     Statt dessen schlägt sie jetzt ihre Tage mit Nichtstun tot. Sie schlendert ziel- und planlos die 5. Avenue hinunter, oder sie geht ins Plaza-Kino, wo die besten ausländischen Filme gezeigt werden.
     Fast jede Woche kommt sie auch zu den großen Auktionen der Galerie Parker-Bernet. Meist erscheint sie in Begleitung von Baron Erich Goldschmidt-Rothschild, einem 70jährigen Kunstkenner, der sie bei der Versteigerung berät.
     Wenn sie allein ist, kommt sie ins Grübeln. Ihre Vergangenheit lässt sie nicht los. Bezeichnend dafür ist eine Episode, die Elsa Maxwell erzählt.
     Vor einigen Jahren gab der Komponist Cole Parker in dem Pariser Nachtklub „Maxim's“. Unter den Gästen befand sich auch Greta Garbo.
     Nach einiger Zeit verschwand die Göttliche und wurde von niemand weiter vermisst. Aber als die Maxwell zehn Minuten später den Waschraum betrat, blieb sie verblüfft stehen: Vor dem Kristallspiegel saß die Garbo und starrte auf ihr Spiegelbild, als sei es eine Geistererscheinung.
     Sie war so tief in ihren eigenen Anblick versunken, dass sie nicht wahrnahm, was um sie vorging. Plötzlich jedoch vergrub sie ihr Gesicht in den Händen und brach in hemmungsloses Schluchzen aus.
     Sie trauert Tag und Nacht ihrer verlorene Schönheit nach und hat sich selbst ein „treibendes Wrack“ genannt.
     Vielleicht nimmt sie die Dinge zu tragisch.
     Als die „Cinémateque“ in Paris kürzlich alte Garbo-Filme vorführte, stand auf dem Programm in deutscher Sprache der Heine-Vers:
          Was vergangen, kehrt nicht wieder,
          Aber ging es leuchtend nieder,
          Leuchtet's lange noch zurück …

     Das sind Worte, die auch der alternden Garbo Trost spenden können.

 

from:   Neue Illustrierte     Nr. 9    1961
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